Blunt Mechanic

Ich habe neulich einen Bericht über Eichhörnchen gesehen. Eichhörnchen sind Einzelgänger, zumindest bis zur Paarungszeit. Im Herbst beginnen sie sich einen Vorrat an Nahrung anzulegen. Loch scharren  Nahrung hineinlegen  zuscharren – die Erde festdrücken  mit der Schnauze nachstoßen.

Ich musste plötzlich an Ben Barnett denken und wie er drei Jahre lang an seinem Projekt BLUNT MECHANIC gearbeitet hat. Ben Barnett ist Multiinstrumentalist und Einzelgänger, er bringt den Kids in Seattle Gitarre spielen bei. Das ist sein Job. Dazwischen nimmt er zu Hause das Album World Record auf. Wie ein Eichhörnchen läuft er durch sein Zimmer, drückt auf Aufnahme, läuft hinters Schlagzeug, trommelt, rennt zurück, drückt Stop und hat das Ding im Kasten. Und dann immer weiter, Spur für Spur, Instrument für Instrument – record/Stop. Bis schließlich alles da ist, was da sein soll und der gesamte Song fertig ist. Die Melodien, die Riffs, die gesamten Songstrukturen und die Textideen trägt er den ganzen Tag mit sich rum, bringt sie nach Hause: Loch scharren  Idee hineinlegen  zuscharren – die Erde festdrücken  mit der Schnauze nachstoßen. Immer weiter, bis der Song fertig ist, bis das Album fertig ist.

Aus diesem Loch dringen seine Worte deutlich hörbar nach draussen. Every pop song tells you one of two things. It`s gonna be alright or it`s nothing at all., heißt es in Pop Song und genau das zeigt auch wie Ben Barnett die Musik sieht. Er sieht sie nicht schwarz oder weiß, nicht reduziert auf genau zwei Standpunkte. Er hat vielmehr vorgesorgt für einen harten Winter und viele Löcher gegraben. In einem versteckt er eben jenen Pop und lässt ihn an anderer Stelle verpackt in Melodien wieder raus. Und sieht man genau auf den Boden und begibt sich auf die Suche, dann findet man viele Stellen, an denen die Erde noch frisch ist. Stellen unter denen man Hoffnung, Wut und Dankbarkeit findet:

Rejoice because you’re beautiful
Rejoice because your plate is full
Rejoice because reclamation’s wonderful
Rejoice you have a soul

(aus Get Home Safe)

Dabei ist ein Album entstanden, das manchmal wie ein trotzendes Kind erscheint, das mit den Fäusten auf den Boden einschlägt, weil es nicht einverstanden sein will, um dann wieder wie ein Albatros ganz leicht, ohne Kraftanstrengung über dem Ozean zu schweben. Ein Album wie eine Katze, die leise angelaufen kommt und an der Tür kratzt, im nächsten Moment aber in die Mülltonnen springt, sie scheppernd zu Boden stürzt, sich selbst erschreckt und davonläuft.

Es ist treibend, bricht sich, wie Karate so oft in ihren Songs, hat die Gleichgültigkeit und Verspieltheit von Pavement. Ist manchmal They Might Be Giants ohne die Theatralik. Ja, wir finden Gitarrensoli scheiße, aber hier irgendwie nicht, hier klingt das alles so homogen, wobei das auch nicht das richtige Wort ist, weil auch immer wieder ein Bruch stattfindet. Es passt alles irgendwie zusammen. Die dezenten Keyboardflächen, die slidenden Feedbacks, der melodische Bass, das rumpelnde Schlagzeug und das gesamte Wechselspiel von Gesang und Instrumentierung.
Im Artwork Katzen, Hunde, Wikinger, Kot-Haufen, Pizzastücke, Büsche, Enten, Monster und Handschuhe – all diese verschiedene Elemente werden wie bei der ganzen Musik zu einem stimmigen, bunten Ganzen gebracht. All das schafft Blunt Mechanic.

Ben Barnett war der Kopf von Kind of like Spitting, die zwischen 2000 und 2006 acht Alben aufgenommen haben, hatte mit Ben Gibbard von Death Cab for Cutie das Projekt Cash Money Bros. und war Gründungsmitglied von The Thermals, bei denen er nach dem ersten Album ausstieg. Aber das sind nur Personalien, die aufzeigen, wie umtriebig dieser Typ ist, so umtriebig, er spielt dieses Album alleine ein.

Reimer Bustorff

 

Thees, Marcus, Reimer und Simon

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Blunt Mechanic - Pressekit 6.79 MB 37 downloads

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